markus bronold

Der Hocker begleitet mich nun seit fast 15 Jahren. Ein Gegenstand, der Ebenbürtiges, Seele und Geschichte genauso mit in den Prozess bringt wie die Portraitierten. Für mich ist der Barhocker, oder genauer gesagt der gemeine Kneipenhocker, eines der demokratischsten Möbelstücke überhaupt. Nahezu jeder hat bereits auf ihm gesessen, sich betrunken, Geschichten erzählt, gelacht, sich ausgeweint, seine Einsamkeit erlebt oder neue Freundschaften geschlossen.

Was auch immer passiert ist, zu keiner Zeit wurde der Hocker in seiner Funktion oder Existenz wahrgenommen. Man setzt sich mit einer Selbstverständlichkeit auf ihn, lehnt sich an oder was auch immer, aber er wird nicht weiter gewürdigt. Anders in Cocktail-Bars oder Restaurants, wo das Sitzmöbel einen gewissen Stellenwert hat und auch entsprechend erwähnt wird. Da heißt es dann, „oh, hier sitzt man aber gemütlich“, oder stylisch, oder schick, aber etwas ungemütlich. Hier werden die Sitzmöbel berücksichtigt, gelobt oder verrissen, zumal sie auch oft Teil der Gesamtinszenierung sind. Ein Kneipenhocker hingegen ist einfach da. Da und selbstverständlich.

Er bringt seine ganz eigene Energie mit sich. Sich nämlich einfach selbst. Einfach wundervoll und fast schon magisch.

Und genau darum geht es, um das Zusammenspiel zwischen einem Sitzmöbel, das aus der normalen Alltagswelt, nämlich der Kneipe herausgelöst wurde und in einen neuen Wirkungsraum kommt und einem Menschen, der gleichberechtigt Platz nimmt auf dem Hocker. Beide begegnen sich auf Augenhöhe und sind ebenbürtig. Egal, ob international gefeierter Bühnenstar, Schauspieler, Politiker oder „einfach“ nur Mensch, es gibt kein besser oder schlechter, kein wichtiger oder nichtiger. Die Bedeutung ergibt sich im Zusammenspiel während des Shootings.

Manchmal funktioniert es auf den ersten Moment, manchmal braucht es etwas Zeit, dass sich beide aufeinander einlassen. Manchmal darf sich das Ego auch noch etwas beruhigen, dass es grad nicht den Raum und die Bedeutung bekommt, wie es vielleicht gewohnt ist. Zumal es um beide geht, den Menschen und den Hocker. Dann aber wird es spielerisch, andächtig, still oder auch mal laut. Was auch immer zwischen dem Hocker und dem Protagonisten passiert, es passiert in dem gewählten Set und darf sich seinen Raum und seine Zeit finden.

Es gab auch schon mal Situationen, da hat mein Gast angefangen, mit dem Hocker zu sprechen. Klingt vielleicht etwas befremdlich, zeugt aber von einer innigen Beziehung, die in dem Moment entsteht. Wie bei meinen Persönlichkeits-Portraits auch, ist nichts inszeniert. Jede Handlung kommt aus den Menschen selbst und ist somit zu 100% echt und wahr. Kein Eingreifen meinerseits, ich sehe mich nur als Kuppler, als Bereiter und als stiller Beobachter. Diesen Prozess zwischen dem Protagonisten und dem Hocker zu beobachten ist das Spannende. Und eigentlich bräuchte es da auch gar keine Kamera, mir selbst würde es oft reichen, diesem nur beizuwohnen, aber für die Euch macht es dann schon Sinn, das Geschehen festzuhalten. Und die Bilder sind auch immer eine bewegende und wertvolle Erinnerung für alle Beteiligten.